Frank-Walter Steinmeier hat es im Deutschlandplan deutlich gemacht: Rund eine Million Arbeitsplätze werden wir im Jahr 2020 im Pflegebereich haben. Diese Arbeit muss anständig bezahlt werden!, forderte die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, und bekam dafür großen Applaus von den mehr als 40 Besuchern in der Stadthalle Gernsheim. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Gerold Reichenbach und Hilde Mattheis hatten zu einer Fraktion vor Ort-Veranstaltung im Südkreis eingeladen. Das Thema der Veranstaltung lautete: Pflege Die Herausforderung einer älter werdenden Gesellschaft. Neben den beiden Abgeordneten nahmen auch Dirk Wiederhold (Vorsitzender Arbeitgeber- und Berufsverband Privater Pflege e.V.), Andreas Schmitt-Neumann (Stiftung Soziale Gemeinschaft Riedstadt) und Michael Adrian (Betreiber der Seniorenheime Adrian) auf dem Podium Platz, um die Probleme der gesellschaftsstrukturellen Entwicklung in Deutschland zu diskutieren.
In seiner Begrüßung sprach Reichenbach das Problem direkt an: Der medizinische Fortschritt der letzten Jahrzehnte hat dazu beigetragen, dass die Menschen älter werden. Das hat aber zur Folge, dass wir uns zunehmend auch um die älteren Menschen in unserer Mitte kümmern müssen.. Hilde Mattheis stellte anschließend einige Prognosen dar, wie sich die Situation im Pflegebereich in den nächsten Jahren entwickeln könnte. Im Moment gibt es in Deutschland mehr als zwei Millionen Pflegebedürftige, diese Zahl könnte sich in den nächsten fünfzig Jahren fast verdreifachen., stellte Mattheis fest. Mehr als zwei drittel der Pflegebedürftigen werden zuhause betreut, fast 50% von den eigenen Angehörigen. Es gilt nicht nur, neue Arbeitskräfte im Pflegebereich zu schaffen. Wir müssen auch an die Situation der Angehörigen denken., forderte sie. Nur wenn alle Bürger und Einkommensarten in eine gemeinsame Pflegekasse einzahlen, und wir so ein grundsolidarisches System schaffen, nur dann können die Kosten einer älter werdenden Gesellschaft auch finanziert werden..
Andreas Schmitt-Neumann wies darauf hin, dass es in Deutschland zurzeit 75.000 offene Stellen im Pflegebereich gebe. Im Jahr 2020 müsste schon jeder vierte Schulabgänger einen Job im Pflegebereich anstreben, um den Mangel an Pflegekräften kompensieren zu können., sagte Schmitt-Neumann besorgt. Ein großes Problem sei neben dem schlechten Image des Berufs natürlich auch die schlechte Bezahlung. Dirk Wiederhold betonte, dass der akute Geburtenrückgang ein weiteres Problem darstelle. Die Gesellschaft straft sich ab, indem sie keine Kinder mehr bekommt..
Michael Adrian betonte, dass es nicht die alleinige Aufgabe der Politik sei, die Situation im Pflegebereich zu verbessern. Wir müssen uns auch selber überlegen, wie jeder einzelne dazu beitragen kann, das Problem in den Griff zu bekommen., forderte Adrian, Die Politik kann nur die Rahmenbedingungen stellen.. Es sei auch wichtig, so Adrian weiter, Pflegeheime nicht nur barrierefrei zu errichten, sondern auch für die passende Infrastruktur zu sorgen. Das idyllische Bild des Pflegeheims im Grünen ist längst überholt. Ältere Menschen sind Teil unserer Gesellschaft, wir müssen den Inselcharakter der Pflegeeinrichtungen aufgeben.. Es sei wichtig, dass Einrichtungen für Pflegebedürftige in Stadtzentren gebaut würden. Das mache es den Bewohnern der Anlagen einfacher, um am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Auch die kaum zu bewältigende Bürokratie, mit der sich Pflegekräfte auseinandersetzen müssen, wurde von allen Beteiligten scharf kritisiert. Mehr als die hälfte der Zeit bin ich damit beschäftigt, meine Arbeit zu dokumentieren. Das ist krank!, sagte Adrian und bekam für diese Aussage großen Zuspruch bei den Anwesenden. Durch die immense Dokumentation gehe das Zwischenmenschliche verloren. Hilde Matthei s wies darauf hin, dass die SPD in ihrer Regierungsbeteiligung bereits wichtige Schritte eingeleitet habe, um die Qualität der Pflege von ihrem Ergebnis her zu beurteilen und die Leistungssätze zielgenauer und flexibler auszurichten. Zur Pflege gehöre nicht nur das pflegen an sich, sondern auch mal eine Rückenmassage, oder einen Moment lang die Hand eines Pflegebedürftigen zu streicheln., so Adrian abschließend.