Der Titel des Ortstermins "Wurzeln ohne Wasser?" zeigte bereits im Vorfeld, dass der Ortstermin der SPD-Kreistagsfraktion Groß-Gerau im Gernsheimer Wald am vergangenen Samstag (30.06.2012) ganz im Zeichen der Baumgesundheit stehen würde. Um 10:00 Uhr hieß der Gernsheimer SPD-Vorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Kreistagsfraktion, Jan Deboy, die rund 15 Anwesenden im Gernsheimer Wald willkommen, darunter Wolfgang Müller und Dr. Wolfram Hammes vom Forstamt in Groß-Gerau sowie Henner Gonnermann vom BUND Hessen. Bei der zweistündigen Tour durch das Gernsheimer Waldgebiet wurde an vier Stationen Halt gemacht, um die unterschiedlichen Facetten der mit den Grundwasserabsenkungen einhergegangenen Schwächung der hiesigen Bäume zu erläutern.
Wolfram Hammes wies bei der ersten Station auf den Kern des aktuellen Problems hin: "Oberflächlich betrachtet hat der Wald eine positive Wirkung. Er dient den Menschen in der Region als Erholungsort, der Kommune als Standort- und Wirtschaftsfaktor. Aber die Idylle trügt. Das Problem liegt unter der Erde." Das Rheinweiß, eine für diese Region typische Lehmschicht in zwei bis 0,5 Meter Bodentiefe, habe für Jahrzehnte an der Obergrenze des Grundwassers gelegen und sei hierdurch stetig befeuchtet worden. Anfang der 1970er Jahre sei verstärkt Wasser entnommen worden, was zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels bis unter sechs Meter geführt habe. Das Rheinweiß, weiterhin weit über dem Grundwasserspiegel im Boden angesiedelt, sei durch den fehlenden Wasserkontakt zu einer harten Bodenschicht ausgehärtet. "Trockenes Rheinweiß ist hart wie beton. Die weichen Wurzeln der Bäume kommen nicht mehr durch diese Schicht hindurch. Die Bäume haben keine Möglichkeit mehr, an das tiefer liegende Grundwasser heran zu kommen", erklärte Henner Gonnermann. Welche Schäden sich hierdurch zeigten, wurde den Teilnehmern an den weiteren drei Stationen verdeutlicht. "Als erstes werfen die Pflanzen ihre Krone ab, um mit dem eingetretenen Wasserstress, das heißt dem akuten Wassermangel, umzugehen. Das setzt sich dann mit dem Absterben von Ästen von oben nach unten fort, bis der Baum schließlich komplett abstirbt", führte Wolfram Hammes aus.
Infolge dieser Schwächung seien die betroffenen Bäume erheblich anfälliger für Schädlinge, wie Wolfgang Müller erklärte: "Seltene Käferarten siedeln sich in den Bäumen an, die Käferlarven fressen sich durch das schon geschwächte Baumholz. Das setzt den Bäumen zusätzlich zu." Da die Käfer oftmals unter Naturschutz stünden, dürfe der absterbende Baum nicht gefällt werden, was die Sicherung der Verkehrssicherheit im Waldgebiet erschwere.
Gefragt nach den Möglichkeiten, die Baumgesundheit im Gernsheimer Wald wieder zu verbessern, antwortete Henner Gonnermann: "Die Rheinwasserinfiltration hat bereits in den 1990er Jahren einen Anstieg des Grundwassers herbeigeführt und damit eine leichte Verbesserung gebracht, die jedoch noch immer nicht ausreicht. Das Rheinweiß liegt weiterhin im Trockenen." Nötig sei die Verringerung der Wasserentnahmemenge, so Gonnermann. "Momentan wird das Wasser, das durch die Rheinwasserinfiltration in den Boden eingeleitet wird, fast eins zu eins wieder durch die Wasserversorger insbesondere durch Hessenwasser – entnommen." Hauptabnehmer seien die nördlich gelegenen, größeren Städte im Rhein-Main-Gebiet. Die von einem Teilnehmer vorgeschlagene Variante, das momentan für die Grundwasserinfiltration im Gernsheimer Wald genutzte Rheinwasser aufzuarbeiten und statt des Waldwassers in die Mainmetropole zu pumpen, beantwortete Henner Gonnermann augenzwinkernd: "Das aufbereitete Rheinwasser hat Trinkwasserqualität. Es schmeckt aber schlechter als das Wasser aus dem Gernsheimer Wald".