Gibt es „Terra preta“ auch bald im Kreis Groß-Gerau?

Zugegeben, es klingt schon ein wenig visionär, wenn man sich im „Spargelkreis“ Groß-Gerau mit den Ackerbaumethoden eines Inkavolkes beschäftigt und ernsthaft darüber nachdenkt, ob hier ein innovativer Beitrag zum Klimaschutz auf lokaler Ebene umgesetzt werden kann.

Im 14. und 15. Jahrhundert besiedelten die Völker der Tupi und der Guarini fast die ganze brasilianische Atlantikküste. Kannibalismus und sexuelle Freizügigkeit waren nicht die einzigen überlieferten Besonderheiten dieser Inkavölker, ihre gut organisierte Landwirtschaft auf schwarzer Erde (Terra preta) war weit ihrer Zeit voraus. Der Boden bestand aus einer Mischung von Dung, Kompost und Holzkohle und war sehr fruchtbar.

Vor gut einhundert Jahren begann man sich auch in Europa wissenschaftlich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen und heute weiß man, dass Terra preta einen Beitrag zur Lösung des Problems der globalen Klimaerwärmung sein kann. Ersten Untersuchungen der Freien Universität Berlin folgten Studien an der Hochschule in Bingen und aus solch einem Studienprojekt wurde das PYREG-Verfahren entwickelt, mit dem aus feuchten Biomassen, Abfallstoffen und Produktionsrückständen Pflanzenkohle produziert wird. „Nebenbei“ wird dadurch der Atmosphäre das klimaschädliche CO2 entzogen. Da gleichzeitig auch die Abwärme aus der Anlage genutzt werden, ergeben sich viele Facetten zur Verbesserung der lokalen Energiebilanz.

Stephan Paul, Birgit und Ernst Weimann und Friedrich Hasenzahl wurden im Spätfrühjahr auf das innovative kleine Unternehmen im rheinlandpfälzischen Dörth aufmerksam und so war es fast schon eine Selbstverständlichkeit, dass die rot-grüne Kreistagskoalition eine Stippvisite in ihr Sommerprogramm einbaute. Landrat Thomas Will und Erster Beigeordneter Walter Astheimer schlossen sich der Gruppe an und nahmen als fachliche Unterstützung gleich den Vorstandsvorsitzenden der Riedwerke, Hans-Joachim Oschinski mit.

Helmut Gerber, Geschäftsführer von Pyreg zeigte eindrucksvoll die technische Entwicklung auf und belegte an hand von drei laufenden Anlagen auch die Wirtschaftlichkeit – betonte aber gleichzeitig, dass man noch am Anfang einer Entwicklung stehe. Tausend Tonnen Biomasse mit einer maximalen Feuchtigkeit von 50 % können in einer Anlage pro Jahr verarbeitet werden. Dies entspricht in etwa zweitausend Tonnen an klassischem Biomüll, wobei dieser Wert zwischen Sommer und Winter schwankt: in den Sommermonaten ist der Anteil der Feuchtigkeit z.B. aufgrund des Ransenschnitts höher.

Ob nun die Karbonisierung von Biomasse auch im Kreis Groß-Gerau Einzug hält und die Böden noch fruchtbarer werden, darüber will man sich in der Kreistagskoalition ernsthaft Gedanken machen. Dabei geht es nicht nur um die energetische Seite, auch Fragen der Logistik und des Betriebes – vielleicht als zukunftsweisendes Ausbildungsprojekt – könnten hier eine Rolle spielen.aseHau