Nur Kopfschütteln gibt es in diesen Tagen bei der SPD im Kreis Groß-Gerau. Schuld ist die Kreis-CDU. Diese feierte vergangene Woche ihren Kreisparteitag und konnte danach vor Kraft kaum noch laufen, wie Jan Deboy erklärte. Der Geschäftsführer der Kreis-SPD griff damit auf einen Satz des CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Sauer auf, wonach mit den Wahlergebnissen der jüngsten Vergangenheit der Kreis politisch auf den Kopf gestellt worden sei. Wir stehen mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Kommunalpolitik, betont Deboy. Um im Bild zu bleiben: Der CDU scheinen ihre knappen Wahlerfolge in Büttelborn und Rüsselsheim eindeutig zu Kopf gestiegen zu sein, kritisiert der SPD-Geschäftsführer.
Mit weniger als einhundert Stimmen Vorsprung hatten dort die CDU-Kandidaten Rotziger und Burghardt die Bürgermeisterdirektwahlen gewonnen. Doch schon nach so kurzer Zeit müssen sie einsehen, dass man Wasser nicht in Wein verwandeln kann, so Kerstin Geis, SPD-Abgeordnete im hessischen Landtag. Auch die Hauptamtsneulinge Burghardt und Rotzinger seien von der aktuellen Landespolitik auf den Boden der kommunalpolitischen Realität zurückgeholt worden, wie es auch ihren Kollegen in Trebur, Groß-Gerau, Stockstadt und Gernsheim ergangen sei.
Wenig Verständnis zeigt Geis Landtagskollege Gerald Kummer, ehemals Bürgermeister in Riedstadt, in Hinblick auf die Äußerungen des CDU-Abgeordneten Günter Schork. Dieser hatte die Schutzschirmaktivitäten des Kreises als unzulänglich bezeichnet und der rot-grünen Koalition mangelnden Sparwillen vorgeworfen. Die schwarze Selbstbeweihräucherung ist wohl auch Günter Schork zu Kopf gestiegen, wenn er Unwahrheiten posaunt, die nichts mit der Realität zu tun haben. Schuld an der Finanzmisere der Städte, Kreise und Gemeinden ist zuallererst das Land. Dort müssen die Hausaufgaben gemacht werden, erklärt der Landtagsabgeordnete. Nötig sei eine durchgreifende Finanzreform, die den Kreisen, Städten und Gemeinden wieder Luft zum Atmen gebe, fordert der SPD-Politiker und bricht eine Lanze für die Politik des Kreises: Jede Bürgerin und jeder Bürger des Kreises sollte dankbar sein, dass die rot-grüne Kreisspitze nicht sofort jeder praxisfernen Weisung aus Wiesbaden blind nachläuft. Wir kämpfen dafür, dass soziale Leistungen nicht blind weggekürzt werden oder in Schulen der Rotstift angesetzt wird. Einen Ausverkauf des Kreises darf und wird es mit der SPD nicht geben.
Fakt sei, dass die hessischen Kommunen im Bundesvergleich besonders schlecht dastünden. Allein 2011 mussten hessische Kommunen zur Abdeckung ihrer Defizite je Einwohner 6.303 Euro aufnehmen, während Kommunen in Brandenburg, Baden-Württemberg und Bayern mit erheblich weniger auskamen. Trotzdem hat die schwarz/gelbe Landesregierung im Landtag den kommunalen Finanzausgleich, die wesentliche Einnahmequelle der Städte und Gemeinden, ab 2011 um jährlich 344 Millionen Euro gekürzt, ergänzt Rita Schmiele, Fraktionsvorsitzende der SPD im Kreistag. Der auferlegte so genannte Schutzschirm sei nicht mehr als ein Placebo und verschärfe die Probleme auf kommunaler Ebene mehr, als dass er sie behebe. Aus ihrer Sicht könne ein gerechteres Steuersystem hier für Abhilfe schaffen, aber: Die Parteien, die im Bundestagswahlkampf für ein gerechteres Steuersystem, und vor allem auch die Besteuerung größter Vermögen plädierten, erhielten keine eigene Mehrheit. Die Monstranz Keine Steuererhöhungen, die speziell die CDU vor sich her trägt, führt dazu, dass auf der Ebene der Kommunen an der Gebührenspirale gedreht werden muss. Das trifft in der Regel alle, egal ob Alleinerziehende Mütter, die zur Miete wohnen oder Hausbesitzer, die sich keine Gedanken über finanzielle Nöte machen müssen. Das kann nicht der richtige Weg sein.
Auch die Vorwürfe Schorks, es gebe Versäumnisse beim Breitbandausbau gingen laut Schmiele ins Leere: Offenkundig fehlt ihm die Sachkenntnis, obwohl er sie haben müsste. Es war die schwarz-gelbe Landesregierung, die sich ihrer Verantwortung entzogen und die kommunale Seite beim Aufbau der flächendeckenden Versorgung mit schnellem Internet im Regen stehen gelassen hat. Hauptkriterium für Fördermittel des Landes sei die Kategorie ländlicher Raum gewesen, unter die der Kreis Groß-Gerau aufgrund seiner Gegebenheiten nicht falle. Der Kreis Groß-Gerau habe sich trotz der widrigen Rahmenbedingungen auf den Weg gemacht, die bestmögliche Versorgung für die örtlichen Bürgerinnen und Bürger sowie Gewerbebetriebe zu erreichen. Das wird torpediert von den Vorgaben des § 121 der hessischen Gemeindeordnung. Dieser schreibt ein Markterkundungsverfahren vor, bei dem Privatanbieter wie die deutsche Telekom sich die Rosinen rauspicken dürfen, während die kommunale Seite tatenlos zuschauen muss, führt Schmiele weiter aus. Der Kreis habe dennoch sein Konzept geändert und nicht die Flinte ins Korn geworfen. Dass die Kreisspitze am zügigen Breitbandausbau festhalte und mit den verbliebenen Kommunen einen konstruktiven Weg gehe, sieht sie positiv: Wenn Günter Schorks CDU den Breitbandausbau aufgeben will, darf sie das gerne tun. Der Kreis und die betroffenen Städte und Gemeinden machen gemeinsam weiter. Die SPD im Kreis unterstützt die Kommunen dabei, erklärt Rita Schmiele abschließend.