Die Idee war gut: Schulen gezielt unterstützen, die vor besonderen Herausforderungen stehen, etwa wegen der sozialen Zusammensetzung ihrer Schülerschaft. Im Oktober 2019 wurde dieses bundesweite Programm beschlossen und in manchen Bundesländern auch rasch gestartet. Aber nicht in Hessen. Fast 15 Monate hat es gedauert, bis Kultusminister Lortz jetzt auch beginnt, Schulen zu fördern – mit viel Selbstlob, aber wenig Schwung. Andere sind viel weiter, die Hessische Landesregierung hinkt beim Thema Bildung wieder einmal hinterher.
Schon im März 2020 etwa begann das entsprechende Programm in Rheinland-Pfalz: 26 Schulen wurden für die erste Runde ausgesucht und gefördert durch Beratungs-, Bildungs- und Austauschangebote. Und in Hessen? Fast ein Jahr später präsentiert man 14 Schulen, die teilnehmen sollen und zunächst fünf Jahre lang erforschen, was man tun könnte. Im Nachbarbundesland wird derweil längst intensiv gearbeitet, und nächsten Monat startet schon die zweite Runde mit 26 weiteren Schulen. Das Hessische Ministerium verkündet nun den Beschluss zur Förderung und verschweigt dabei, dass er schon ein Jahr lang ungenutzt herumlag.
Nur eine Schule im Kreis Groß-Gerau dabei
Dass Hessen so zögerlich einsteigt – mit 14 Schulen gegenüber demnächst 52 in Rheinland-Pfalz – das spürt auch der Kreis Groß-Gerau. Nur die Martin-Niemöller-Schule in Riedstadt wurde in das Programm aufgenommen. Dabei gäbe es auch im Nordkreis großen Bedarf, dieses Thema aufzugreifen.
Die verschlafene Förderung ist kein Zufall, denn beim Abbau von Bildungsnachteilen hat es der konservative Minister nicht eilig. Während die Corona-Pandemie landesweit die schon glimmenden Bildungsnotstände in helle Flammen gesetzt hat, übte sich Lortz im Nichtstun – und klopft sich nun selbst auf die Schulter, weil er nach einem Jahr Zögern doch noch einen mühsamen ersten Schritt geschafft hat. „Das ist eine Frechheit gegenüber den Schulen, Eltern und nicht zuletzt den Schülerinnen und Schülern, die das ausbaden müssen“, sagt die SPD-Landtagsabgeordnete Kerstin Geis als Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Kreistagsfraktion.
Dabei war das Programm von Bund und Ländern hoffnungsvoll gestartet: Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Gruppen sollten in der und durch die Schule besser unterstützt werden. 125 Millionen Euro stellt der Bund dafür bereit, noch einmal die gleiche Summe soll von allen Bundesländern gemeinsam kommen. Doch nützt das viele Geld nichts, wenn das Land den Fortschritt blockiert.
„Die Bundespolitik hat einen guten Vorstoß in Sachen Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit gemacht“, sagt Geis. „Und der konservative Kultusminister verschläft die Initiative über ein Jahr.“ In der Pandemie zeige sich, dass die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit in Hessen kein Thema ist: „Wer nicht zu den Privilegierten gehört, wird fallengelassen und hat von dieser Landesregierung nichts zu erwarten.“